Wohnraumkarussel 2019

Die Fertigstellung unserer neuen Schule hat einiges in Bewegung gesetzt. Die alten Schulräume wurden zu 6 Wohnungen umgebaut. Dies löste in den letzten Wochen Umzüge von 20 Menschen innerhalb des Tempelhofes aus, weitere Umzüge und Zuzüge stehen noch an.

Erfahrungsbericht

„In der Konkurrenz mit Y. um das freigewordene Appartement habe ich als wenig hilfreich wahrgenommen, uns Druck zu machen, zur Entscheidung zu kommen. Ich bin noch immer sehr froh, dass Y. und ich damals diesem Druck nicht nachgegeben haben, sondern darauf bestanden haben, dass wir aus der Begegnung zwischen uns selbst zu einer Lösung kommen. Denn jegliche Lösung bedeutet, dass eine Seite loslassen muss. Und zwar aus freien Stücken. Würde dieses Loslassen von außen „erzwungen“, wäre es eine neuerliche Erfahrung, nicht zu den eigenen, auch existentiell wichtigen und früher möglicherweise verletzten Bedürfnissen nach Zuhause sein, nach Geborgenheit etc. stehen zu können. Der Kern des eigenen Selbstwertes wäre beschädigt, die Selbstachtung ginge verloren, die scheinbare „glatte“ Lösung würde für eine Seite zur Quelle eines anhaltenden Unfriedens. Dies ist nur zu vermeiden, wenn beide Seiten sich öffnen und sich einander z.B. auch mit diesen Ängsten zeigen, nicht zu den eigenen Bedürfnissen stehen zu können. Beide Seiten brauchen die Sicherheit, dass sie sich nicht selbst aufgeben, wenn sie sich für die andere Seite und deren Situation öffnen. Und dies möchte gehalten sein, geschützt vor äußerer Einflussnahme. Auch ist die Verführung groß, den eigenen Ängsten und tiefen Gefühlen auszuweichen und selbst auf eine schnelle Entscheidung nach äußeren Kriterien zu drängen. Aber nur aus dieser Öffnung heraus – für sich und die andere Person – kann auch eine Seite von sich aus loslassen, etwas aufgeben, was ihr sehr wichtig ist. Und diese Person möchte damit auch gesehen werden, dass sie loslässt, und eine Würdigung erfahren. Dann kann sich Frieden mit der „Lösung“ einstellen. Und auch die beidseitige Freude darüber, diesen Frieden ermöglicht zu haben, und das eigene Menschsein ausgedehnt zu haben“

Thomas Waldhubel.

Die meisten Tempelhofer sind recht mobil, was das Wohnen betrifft. Manche haben schon mehr als 7 oder 8 unterschiedliche Wohnkonstellationen ausprobiert. Ungefähr 15 leben noch in der Ursprungswohnung, in die sie vor Jahren eingezogen waren. Manchmal sind Trennungen von (Eltern-)Paaren der Grund, manchmal der Wunsch, mit bestimmten Menschen eine Wohngemeinschaft zu bilden oder – nach langer Zeit in Wohngemeinschaft – die allmähliche Erfahrung, dass Leben in Gemeinschaft geschützte individuelle Rückzugsräume braucht, „Ich-Inseln“, wie das mal jemand genannt hat. Da wir immer knapp an Wohnraum sind, versuchen wir, jedes frei werdende Zimmer zu belegen oder durch Bewohnerwechsel geeignete Wohnungen für Annäherer frei zu machen. Am sesshaftesten sind die BewohnerInnen unserer wenigen Einzimmerappartements.

Wohnraumkarussell

Diese internen Umzüge im größeren Stil nennen wir Wohnraumkarussel. Bis am Ende eine von allen Beteiligten als stimmig empfundene Neuverteilung steht, braucht es manchmal mehrere Austausch- und Findungsrunden. Dies sind sehr lebendige soziale und innere, persönliche Prozesse, vor allem, wenn mehrere Menschen ein Auge auf dieselbe Wohnung geworfen haben.

Manchmal gibt es dann überraschende Wendungen, sei es, dass jemand aus freien Stücken seine bisherige Wohnung preisgibt, damit es für andere eine gute Lösung gibt. Oder dass jemand ganz allmählich erkennt, was seine tiefere Motivation hinter seinem ganz speziellen Wohnwunsch ist und sich dadurch neue Perspektiven auftun.

An diesen Prozessen nehmen auch immer Nichtbetroffene teil – sie halten den Raum, sind frei im Denken und können ohne Eigeninteressen Impulse setzen. Wir alle sind hierbei sehr gefordert in wahrhaftiger Kommunikation und einer Großzügigkeit und Geduld im Herzen, damit solche Prozesse zu guten Lösungen führen, ohne durch sozialen Druck neue Notlagen entstehen zu lassen.

Einsichts- und Wachstumspotentiale

Egal, ob ich selber Teil des Wohnraumkarussells bin oder diesen Prozess nur begleite: Wenn der Prozess blockiert erscheint, bin ich manchmal mit wenig förderlichen, trennenden Gedankenkonstrukten konfrontiert. „Die haben die große Wohnung eher verdient als jene“ oder „Der/die könnte sich auch mal bewegen, damit für diese oder jene eine Lösung möglich wird“ oder „Anspruchsdenken will ich nicht belohnt wissen“…- potentiell lauert hier eine Gefahr von „sich mit Interessen verbünden und Druck erzeugen“. Oder die Chance, aneinander zu wachsen.

MarieLuise Stiefel

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