Beim Ersten-Maifest am Tempelhof habe ich jemanden getroffen, der meine bisherigen Vielfaltgeschichten gelesen hat und mir sinngemäß sagte: Ich lese sie, weil ich bei deinen Texten spüre, dass es bei euch auch nicht immer so glatt geht und so toll ist, wie es so oft zu lesen ist.
Ja, genau, das ist es, was ich zum Ausdruck bringen will, dass wir an der Vielfalt leiden, dass sie eine Herausforderung ist, dass wir ihr begegnen, sie einladen und schätzen, versuchen mit ihr umzugehen, uns freuen, wenn es uns gelingt und auch manchmal daran scheitern.
Dies zur Einleitung und jetzt versuche ich, euch davon zu erzählen.
Wir haben unsere alte Kantine zusammen mit den angrenzenden Räumen der Schule überlassen, die daraus wiederum ein Schulhaus gemacht hat.
Wir haben diesen Raum geliebt und uns damit getröstet, dass wir eine neue Kantine für uns bauen werden. Zum Übergang haben wir uns im Erdgeschoss des Schlosses eingerichtet, ein großer Raum, aber doch zu klein für die Zeit, wenn die Jahreszeit zu kalt ist, um draußen essen zu können, was wir alle am meisten lieben.
Wie entsteht jetzt ein neuer Raum zum Essen, wenn mehr als 70 Individuen davon eine eigene Vorstellung haben und mitreden dürfen?
Manche meinen, dass die derzeitige Situation durchaus tragbar ist und wir gar nicht neu bauen müssen. Andere wollen neu bauen und wünschen einen klaren funktionellen Raum, der seinen Dienst tut. Andere wollen es klein, kuschelig und gemütlich, andere großzügig, hell und offen. Andere wollen innovativ bauen, etwas ganz Neues auf den Boden bringen. Andere wahren den Kostenrahmen. Manche sehen in erster Linie auf die Schönheit des Raumes und die Funktionalität ist ihnen nicht so wichtig.
Da wird auch manche unerfüllte private Sehnsucht auf den Bau projiziert, die bisher nicht in Erfüllung ging.
Gewöhnlich haben Könige gebaut, Chefs, die das Sagen haben bauen und Familienväter. Aber was ist mit 70 Individuen, die bauen wollen?
Das ist Vielfalt!
Wenn man es anders betrachtet, könnte man das auch Chaos nennen.
Aber Chaos hat auch was, wenn man sich nicht drin verliert.
Langsam formt sich etwas, eine Gruppe ordnet das, was zusammengehört, was Priorität hat. Wo ist Funktionalität nicht zu umgehen? Wo ist freier Gestaltungsraum? Ein Zeitplan entsteht, wann was geschehen soll, wann was und ob was zu entscheiden ist. Eine Form entsteht. Einige haben auch gleich zum Stift gegriffen und es gab dann vier sehr unterschiedliche Entwürfe.
Es ist wie ein großer Gesamtkörper, der sich bewegt und dabei in einen Rhythmus kommt, der sich ausrichtet. Ein wenig schwerfällig ist es, da ist noch kein Flow. Wie sollte es auch anders sein, wir haben kein Vorbild, wie so etwas geschehen könnte. Da machen wir ein großes Feld auf.
Der Gesamtkörper bewegt sich weiter und je mehr wir uns ausrichten (nicht einrichten), desto mehr entsteht ein „Zusammenneues“.
Wie es ausgeht, wie unsere Kantine aussehen wird, wissen wir noch nicht.
Werden wir die absolut beste Kantine für uns kreieren und bauen?
Sicher nicht. Sie wird schön sein und die Anforderungen erfüllen und ein paar Macken haben und einigen wird sie nicht so gefallen oder genügen.
Aber sie wird ein Zeugnis von Vielfalt sein, da bin ich mir sicher.