Gut 20 Menschen vom Tempelhof, aus anderen Gemeinschaften, von Demokratie-Organisationen und aus der integralen Szene haben sich mit dem Seelenfeld unseres Landes beschäftigt. Inspiriert wurden wir dazu durch Wolfgang Aurose. Er war lange in Auroville, hat die Schriften von Aurobindo sowie anderer integraler Denker von Steiner bis hin zu Ken Wilber studiert. Sein grundlegendes Buch dazu „die Seele der Nationen“ war für mich sehr erhellend. Der Kern des Buches handelt davon, nicht nur die Schattenseiten, die kollektiven Traumata und nationalistischen Verzerrungen eines Landes zu heilen, sondern auch die hellen Seelenaspekte eines Landes zu erfahren. Was ist die „Bestimmung“ eines Landes, was seine Aufgabe, was kann sein Betrag in der Welt sein? Und was mag überhaupt die Seele eines Landes sein? Dazu sind wir jeder einzeln und auch gemeinsam auf eine Forschungsreise gegangen.
Was hat uns dazu motiviert?
Viele Probleme unserer Zeit werden wir, wenn wir sie zu Ende denken, wohl nur als Menschheit, als Weltgemeinschaft lösen können. Nur wie kann diese entstehen, wie können wir uns Menschheit erleben, nicht nur theoretisch-geistig, sondern auch seelisch, emotional und sogar körperlich. Die vielen hundert Tausend, ja wahrscheinlich Millionen lokalen Aktivitäten auf der ganzen Welt sind die Basis für ein gemeinsames globales Bewusstsein. Nur wie synchronisieren wir uns, worauf richten wir uns aus? Das kann letztlich nur das Wohl der ganzen Erde sein, deren Teil wir als ganze Menschheit sind.
Doch der der Weg dahin wird nicht einfach sein. Wir werden nach meiner Erfahrung nicht einen Bewusstseinssprung von der lokalen auf die globale Ebene machen.
Auf diesem Weg – hier kommt Aurose ins Spiel – kann die nationale und kontinentale Ebene nicht einfach ausgeblendet werden. Die Transformation – sei es der Demokratie oder anderer Felder – in Deutschland, der EU und auf der Welt hängt meines Erachtens auch davon ab, inwieweit wir es schaffen, unsere kollektiven Traumata auf all diesen Ebenen anzugehen.
Es ist wie bei der Gemeinschaftsbildung. Ich kann um so mehr ein beitragendes, wertvolles Mitglied der Gemeinschaft werden, je mehr ich meine inneren Schatten und unerlösten Traumata integriere und erlöse. So ähnlich ist es auch mit Staaten, in der EU oder der Weltgemeinschaft.
Die Auswirkungen dieser Themen lesen wir jeden Tag in der Zeitung. Die Offensichtlichsten sind der Brexit, die Unruhen in Katalanien und die anderen Separationsbewegungen. Aber auch das Kippen der Stimmung in Deutschland von der Willkommenskultur bis hin zur Hysterie um die „Obergrenze“ von Flüchtlingen und das erneute Erstarken der AfD findet darin wahrscheinlich seinen Ursprung.
Solange wir uns nicht unserem kollektiven Schatten stellen, wird dieser uns immer wieder kollektiv hemmen und kontrollieren. Wie dies genau geht, wie Heilung stattfinden kann, inwieweit allein schon die gemeinsame Wahrnehmung oder das Bezeugen heilend wirken kann, gehörte zu den gemeinsamen Forschungsfragen.
Für mich hat die Beschäftigung mit dem Thema einige tiefe und langjährige Widersprüche aufgelöst. Am spannendsten fand ich dabei die Frage, wie viele Anteile von Traumata gar nicht nur auf der individuellen Ebene liegen, sondern eben auf der gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen, nationalen oder gar transnationalen Ebene.
Wir haben mit dem Workshop unter der Anleitung und Inspiration von Wolfgang und Soleil Aurose ein erstes Experiment gewagt. Die Begegnung mit den lichten und den dunklen Seelenqualitäten unseres Landes war sehr persönlich und tief, von nationaler Seele zu personaler Seele gewissermaßen.
Einige der Teilnehmenden möchten an diesem Thema weiterarbeiten, vielleicht auch größere Veranstaltungen dazu organisieren.
Einige Tempelhofer würden den Ansatz gerne auf das Miteinander in der Gemeinschaft übertragen. Die Seele des Tempelhofes zu erkunden und Unerlöstes zu integrieren, wird unsere Verbundenheit weiter vertiefen.
Roman Huber