Kolumne

Gerade war bei uns richtig Trubel: 20 Gäste übten sich in unserem Gemeinschafts-Intensiv-Prozess (GIP 2) als eigenständige Gemeinschaft, mit im Konsens gewählten eigenen Projekten, die den Tempelhof verschönern. Sie interagieren selbstständig in unserer großen Gemeinschaft und üben sich dabei in Abstimmungen, in Kommunikationsabläufen, im bewussten Gestalten von Projektarbeit, im Feedback und ganz nebenbei auch noch damit, die kleine Gruppe selbst zu versorgen. MaLu und Thomas aus dem Facilitatoren-Team begleiten sie.

Die kleine Gruppe durchlebt gleichzeitig viele Fragen, die auch unsere große Tempelhofgemeinschaft immer wieder bewegen bzw. beschäftigen müssen. Was sind unsere Kriterien, wenn wir unsere Teams auswählen? Wo entsteht mit wem ein Flow in der Handlung? Was waren die Auslöser dabei? Welche Faktoren sind also gemeinschaftsförderlich? Und welche in der Biographie erlernten Verhaltensweisen hindern den einzelnen und eine Gruppe daran, Teil einer oder eine Gemeinschaft zu werden? Ja, und was ist denn dann eigentlich ganz praktisch eine Gemeinschaft? Wie fühlt sich das an? Hat das mit Liebesfähigkeit zu tun, mit Achtsamkeit? Oder werden diese Werte nur zur „richtigen“ Verhaltensweise, weil es doch zu Gemeinschaft dazu „gehört“, lieb zu sein? Wo braucht es Ausdauer, Dranbleiben am Projekt – und wann wird der Arbeitsprozess dann nur zum leidig bekannten „Durchhalten“?

Diese Fragen und noch ganz andere, stellen sich währenddessen auch die Beteiligten am Earthship-Projekt: Fast 60 Menschen aus der ganzen Welt bauen mit einer Crew aus den USA um Michael Reynolds und einem Team aus unserer Gemeinschaft unser Earthship. Das erste in Deutschland überhaupt. Autark geplant und in der lowtech Ausrichtung auch unabhängig von komplizierter Technik selbst erstellbar. Da wird ein Projekt schnell auch zur Bühne. Presse und Fernsehen tauchen in Scharen auf und steigern die Wirkung noch. Kann in all` dem Trubel dann noch achtsam und liebevoll gebaut werden – und das dann auch noch miteinander? Wie wichtig ist es dabei weiter auch klar hinzuschauen, was denn da eigentlich geschieht? Und kann Gemeinschaft so auch bedeuten, sich nur im „Wohlfühlen“, im „WIR sind die Richtigen“ zu verlieren?

Wenn mich dann Menschen, die uns nun zahlreich in unserem neuen SchlossCafé besuchen kommen, fragen, was wir denn hier eigentlich für die Welt machen würden und in wie weit wir uns nicht doch hauptsächlich um uns selber drehen – also letztlich nur die Farbe der Bühne  verändert haben. Dann wird es spannend für mich, und ich komme tatsächlich ganz auf das Persönliche zurück: Handle ich vielleicht doch nur, um mir selbst Inhalt zu geben, Sinn? Wo verändere ich mich innerhalb meines ganzen Tuns in dieser Welt wirklich? Also sichtbar mitten im Alltag – und verändere so tatsächlich die Welt und sei es nur ein ganz klein wenig.

Gemeinschaft macht wohl nur dann Sinn, wenn sie Menschen immer mehr Möglichkeiten bereitstellt, bewusster sich selbst und die Illusionen von der Welt zu durchschauen. Wenn dann daraus auch noch ein wenig mehr „sich verschenken“ als „für sich selbst brauchen“ wachsen kann und wir das umgekehrt erfahren – ja dann könnten wir alle tatsächlich immer mehr aufwachen und erkennen, dass wir eigentlich schon immer in Gemeinschaft leben mit allem was lebt und auch mit allen jenen, die doch oft so ganz anders und fremd erscheinen.

Auf diesem Weg gibt es letztlich keine Methoden, irgendwo hin zu kommen, irgendetwas zu erreichen, irgendwie das Glück, die Weisheit per Training zu erzwingen. Es gibt letztlich nur Achtsamkeit und andere universale uralte Werte wie Liebesfähigkeit, Klarheit und Ausdauer – Dranbleiben am Leben.  Und so freilassend die Kunst des Lebens zu entdecken. Mit „freilassend“ meine ich dabei, mich nicht weiter in den Mittelpunkt von dann meiner „Selbstoptimierung“ zu stellen. Vielleicht im Sinne von „zu tun, was getan sein will und sein soll“.

Ohne diese selbstverantwortlich eigene, innere Arbeit, ohne den Willen, in Bezug und Beziehung zu bleiben, gerade mit den mir unverständlichen Menschen, ohne die Öffnung und die Einladung, sich mit mir auch reiben zu dürfen, werden nur weiter Neid, Eitelkeit, Eifersucht, dann auf der Bühne „Gemeinschaft“ wachsen.

Gemeinschaft braucht deswegen auch die getragene Konsequenz aller Beteiligter, den empfindlichen, weil offenen und durchlässigen Gemeinschaftskörper zu schützen – damit sich, wie in einem Glashaus, die feinen Pflänzchen der Bewusstwerdung und universale alte Werte auch wieder entwickeln, ausbreiten und sichtbar werden können.

Und doch kann Gemeinschaft vom Einzelnen, von mir, wohl nur ausdauernd mitgegangen werden, wenn bei aller innerer Arbeit die Annahme meines eigenen ständigen Scheiterns und der Unvollkommenheit dieser Welt im Herzen wachsen darf. Genau hier wird dann vielleicht auch das Geschenk, die andere Welt, die verzauberte, die unsagbar schöne mitten in den Spannungsbögen von z.B. alt und neu, von hässlich und verzückend wieder erlebbar. Genau hier können für mich das Ende aller Zweifel und eine Ahnung von einer zeitlosen Gemeinschaft einfach sein…

Wie schön das klingt denke ich gerade –und was es für einen mühsamen Weg immer wieder bedeutet, in Gemeinschaft zu leben! Was mir dann hilft ist zu wissen, dass die Sonne immer scheint, hinter all` dem Wetter. So bleiben für mich die vielen Wolken, die immer wieder auftauchen, einfach nur Wolken, die kommen und gehen… So wie ich auch.

Wolfgang

Aktuelles

  • Tempelhof News Herbst 24

    Der Herbst ist eingekehrt und bringt eine Fülle von Farben und Erlebnissen mit sich! Wir laden euch ein, in unserem aktuellen Newsletter die Highlights der vergangenen Monate zu entdecken. Viel Freude beim Stöbern!

  • Regionale Vernetzung

    Gemeinsam die Region gestalten! Zum 3. Mal wurde am 15.10.2024 ein regionales Vernetzungstreffen für Gruppen und Organisationen aus dem Bereich Nachhaltigkeit der Region Hohenlohe-Franken-Tauber durchgeführt. Es gab wieder einiges Neues zu erfahren! Hier der Bericht und die vorgestellten Projekte.

  • Zukunftsjahr startet am 13.September

    Das Zukunftsjahr ist eine gute Alternative zu Freiwilligendiensten, Praktikum, Reisen und Au Pair. Gemeinsam mit bis zu 14 anderen jungen Menschen wirst du in deiner individuellen Lebens- und Berufsorientierung unterstützt und erlangst Wissen in vielen verschiedenen Themen. Hier ist ein kleiner Einblick: Zuja – der Film (Link vimeo).

Veranstaltungen