Urs Mauk, studierter Landwirt am Tempelhof und Stefan Schwarzer, passionierter Permakulturist und Genosse in der Gemeinschaft Schloss Tempelhof, erlauben uns einen kritischen und sorgenvollen Einblick in die Welt unseres Ackerbodens, der Landwirtschaft und unseres Klimas. Unser zufällig entstandenes Gespräch reißt viele Themen an und gibt Denkanstöße, die wir euch nicht vorenthalten wollten. Wir haben beschlossen, daraus eine Informationsreihe zu landwirtschaftlichen Themen wachsen zu lassen. In den kommenden Newslettern möchten wir vertieft auf einzelne Gesprächsbausteine eingehen. Hier ist der Anfang gemacht…
Stefanie: Hallo Stefan, hallo Urs, gerade gingen wir über unsere Wiese, die nun eher einer Grabenlandschaft gleicht. Haben wir es nach dieser Dürre in diesem Sommer mit einer Verwüstung unserer Böden zu tun?
Stefan: Dieses Jahr 2015 war (und ist noch) ein extrem trockenes und warmes Jahr, das sich mit ziemlicher Sicherheit unter die Top 3 der heißesten Jahre seit Beginn der Messungen einreihen wird. Aber was verstehen wir eigentlich unter Dürre? Noch haben wir in unserer Region, zumindest im Winter, ausreichend Niederschlag, um die Grundwasserspeicher wieder aufzufüllen. Die Pflanzen verdorren kaum. Sie wachsen nur nicht, es grünt bei uns immer wieder. Jedoch werden die saisonale Verteilung des Niederschlages und unser Umgang mit diesem für uns zu einem wichtigen Thema werden. Wir müssen klimatische Extreme, wie Trockenheit und heftige Regenfälle, vermehrt abpuffern und unsere Resilienz vor allem in Bezug auf Wasserknappheit erhöhen. Was wir in dieser zerfurchten Wiese zunächst sehen, ist die Verklumpung des Bodens – der bei uns sehr tonig und lehmig ist – durch den natürlichen Vorgang des Austrocknens. Der Boden zieht sich zusammen, es entstehen hier bis zu 50cm tiefe Gräben. Ein Problem ist, dass unter diesen Umständen Pflanzenwurzeln in den harten Klumpen kaum mehr durchdringen können. Da kommt das Leben dann erst einmal zum Stillstand. Erst wenn es mal wieder über mehrere Tage regnet, werden sich die Gräben schließen.
Urs: Unsere Landwirtschaft am Tempelhof macht sich seit Längerem Gedanken zur Wasserverfügbarkeit und Aufbau und Verbesserung unseres Bodens. Bevor wir hierher zogen, wurde auf den Böden jahrzehntelang Monokultur betrieben mit einem wenig abwechslungsreichen Bewuchs. Nun zeigt der sehr tonige Boden deutliche Defizite, z.B. in seiner chemischen Zusammensetzung, seiner Struktur und Wasserstabilität und vor allem in der Quantität des Humus bzw. der organischen Masse. Im Moment erodiert er leicht durch Wind und den Abfluss des Oberflächenwassers aufgrund der intensiven Bearbeitung und seiner geringen Bedeckung. Die heute üblichen Praktiken der konventionellen aber auch biologischen Landwirtschaft greifen sehr stark in den Boden ein, wodurch seine Fähigkeit, Wasser aufzunehmen, leidet. Sichtbar war dies beim letzten Regen – der kleine Bach, der durch unser Grundstück fließt, war braun. Ein warnendes Zeichen für ausgespülte Bodenteilchen und Mineralien.
Stefanie: Die natürliche Fruchtbarkeit der Böden in Europa ist gesunken. Hochleistungssaatgut, Mineraldünger, Pflanzenschutzmittel, Monokultur und intensive Bewässerung haben maßgeblich dazu beigetragen. Können wir diese Belastungen wieder ausgleichen?
Urs: Der Boden ist die Basis unserer Lebensmittelproduktion, er filtert Regenwasser, reguliert das Klima, ist Heimat unzähliger Lebewesen und ein riesiger Kohlenstoffspeicher. Im Moment beklagen wir seine zum großen Teil schon weit fortgeschrittene Degradierung. Als Folge nimmt seine Fähigkeit, produktiv zu sein, stark ab. Der Schlüssel für eine gute Bodenstruktur und gesundes Pflanzenwachstum ist die Anzahl und Vielfalt der Organismen, die im Boden leben. Um ihre Lebensbedingungen zu verbessern, bedarf es vielfältiger Maßnahmen. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir dafür sorgen, dass möglichst immer eine lebende Wurzel im Boden wächst und sich der Humusanteil deutlich erhöht, was wiederum die Wasserspeicherfähigkeit vergrößert. Auch hilft der Einsatz von tief wurzelnden Pflanzen beim Bodenaufbau.
Stefanie: Der Verlust der Artenvielfalt ist ein grundsätzliches Problem der Landwirtschaft. Wasser als Lebensgrundlage für die Tiere und Pflanzen habt ihr schon angesprochen. Wie kann die Landwirtschaft hier am Tempelhof unterstützen?
Stefan: Bezüglich des Wassers sollten wir uns Gedanken zum aktiven Wassermanagement machen, z.B. direkt im Haus durch Regenwasserrückhaltemöglichkeiten wie Zisternen für die Toilettenspülung. Außerdem müssen wir unseren Lebensraum, die Zusammenhänge zwischen Erde, Wasser, Wind und Wärme, holistisch, also ganzheitlich sehen. Bezüglich des Bodens hier am Tempelhof sind verschiedene Aktionen denkbar. Als gutes Beispiel dienen Hecken. Sie verringern, als Windstopper eingesetzt, die Verdunstung des Bodens, liefern Brenn- und Nutzholz, dienen als Brutplatz, sind Lebensraum, bieten Blüten, Früchte und Samen als Futter für die Tierwelt und tragen dadurch zur Belebung der Landschaft bei. Auch die Nutzung von Quellen, das Sammeln von ablaufendem Wasser – statt es direkt in die Kanalisation oder in den nächsten Bach zu führen – in Gräben und in Form von Teichen gehören in ein solches Gesamtbild. Sie erfüllen die Grundbedingungen der Permakultur: Sie speichern Energie (das Wasser), verändern positiv das Mikroklima, bilden Biotope, die auch für die Landwirtschaft von Vorteil sind. Das Wasser kann langsam in den Boden einsickern, es kann zur Bewässerung genutzt werden und sie erhöhen den Freizeitwert der Region für den Menschen.
Stefanie: Wie sehen unsere konkreten Maßnahmen zur Bodenerhaltung und -gesundung aus?
Urs: Wir Landwirte hier haben verschiedene Ziele. Zunächst wollen wir eine bessere Bodenstruktur und Steigerung des Humusgehaltes, der im Acker bei lediglich 1-4% liegt. Bewirtschafteter Boden enthält im Allgemeinen weniger organische Substanzen als Erde mit „natürlicher“ Vegetation. Erhöht man beispielsweise den Humusgehalt um einen Prozentpunkt, kann der Boden hier 16l/qm mehr Wasser speichern. Will man dies erreichen, sind strukturierende Maßnahmen denkbar wie Gräben und Dämme (Swales), Terrassen und Schwellen. Jedoch viel wichtiger ist es, den Boden so zu nutzen, dass er in der Lage ist, Humus aufzubauen. Dazu gibt es verschieden Werkzeuge, wie z.B. bodenschonende Bewirtschaftung, pfluglos oder mit Direktsaat, und ganz besonders der Misch- und Zwischenfruchtbau. Im Grünland wäre eine Tiefenlockerung und ein „Holistic Planet Grazing“ denkbar. Mulch- und Kompostwirtschaft mit Hackschnitzel, Grünschnitt und Bioabfällen kann langfristig ebenfalls zur Regeneration und Belebung der Böden beitragen.
Stefan: Um auf lange Sicht den überdauernden Bewuchs zu sichern, haben wir den Getreideanbau zurückgefahren und konzentrieren uns auf Gründüngung und Zwischenfruchtbau. So stellen wir sicher, dass immer Pflanzen in einer optimalen Mischung wachsen, die den Boden mit z.B. Stickstoff und Phosphor nähren, Strukturschäden aufbrechen, das Bodenleben ernähren und für eine abwechslungsreiche Durchwurzelung sorgen.
Stefanie: Die Biolandwirtschaft verzichtet auf Mineraldünger. Wie machen wir das?
Stefan: Ist das Bodenleben arm oder aus dem Gleichgewicht und der Humusgehalt des Boden gering, geraten Nährstoffe, vor allem der Stickstoff, in das Grundwasser und stehen den Pflanzen nicht mehr zur Verfügung. Der Mineraldünger versorgt zwar die Pflanze, übergeht aber die Organismen des Bodens, so dass diese absterben. Der Boden wird „unbelebt“. Die Folgen sind Pflanzen, die gegen Schädlingsbefall anfälliger sind sowie eine schwindende Bodenfruchtbarkeit.
Urs: Die ökologische Landwirtschaft funktioniert entweder mit „ökologischen“ Hilfsmitteln, also Dünge-, Spritzmittel und mechanischer Unkrautbekämpfung. Da arbeiten wir in einem konventionellen System mit im Biolandbau zugelassenen Mitteln. Oder wir arbeiten mit der Natur zusammen, dann allerdings ist die Bodenbiologie der Schlüssel zum Erfolg. Unsere Aufgabe ist es, Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, die Vielfalt der Arten und ihre Anzahl zu steigern. Dabei wirken Hilfsmittel und Technikeinsatz oft kontraproduktiv.
Stefan: Grundsätzliche stelle ich die Frage: Wie viel Raum müssen wir der Natur wieder zurückgeben, damit alle überleben können? Oder anders herum: Wie können wir die natürliche Vielfalt in unsere landwirtschaftlichen Produktionssysteme zum Wohle aller integrieren?
Stefanie: Danke, Stefan und Urs, für das informative Gespräch!