Natur

Michael Stangs Herz schlägt seit zwei Jahrzehnten für die Bienen. Vor fünf Jahren kam der Diplom-Biologe und Obst-Baumpfleger an den Tempelhof und widmet sich seither, zusammen mit Rainer Stelzl, neben den Feldfrüchten und Streuobstwiesen auch den kleinen, aber wichtigen Helfern in der Landwirtschaft. Das Gespräch mit ihm zeigt, wie viel Wissen und Einfühlungsvermögen hinter Waben, Königin und Honig steckt…

Stefanie: Hallo Michael, wir genießen einen wunderbaren Frühjahrsblüten- und Sommerhonig von den Tempelhofer Bienen.  Wie habt Ihr es geschafft, trotz der vielen Probleme, die bei der Haltung von Bienen allgemein gemeldet werden, die Tempelhofer Imkerei weiter zu entwickeln?

Michael: Das hat verschiedene Gründe. Die Erkenntnisse und Forschung zur Bienenzucht, -haltung und -gesundheit haben sich permanent weiterentwickelt. Wir setzen beispielsweise auf eine besondere Bienenrasse, die Buck Fast-Biene. Sie ist sehr fleißig, arbeitet viel und schnell in kurzer Zeit. Angepasst an das nordische Klima, kann sie auch kalte Winter gut überstehen und startet im Frühjahr schon bei geringeren Temperaturen ins Arbeitsjahr. Und sie ist nicht aggressiv, was das Arbeiten mit ihr angenehm macht. Wir kaufen sie reinrassig, sie vermischt sich mit der Zeit jedoch mit heimischen Rassen, z.B. der Carnica. Weitere positive Eigenschaften, zum Beispiel ihr Grad der Reinlichkeit und Sauberkeit, bleiben häufig erhalten.

Am Tempelhof arbeiten wir zudem nach den Bio-Richtlinien der EU und haben unsere Bienenhaltung am System des angepassten Brutraumes nach Hans Beer ausgerichtet. So erhalten wir mehr Honig als in der konventionellen Imkerei.

Stefanie: Wie funktioniert das?

Michael: Das Besondere an dieser Bienenhaltung liegt in der Begrenzung der Wabenanzahl im Brutraum des Stocks, also der Waben, in die die Königin ihre Eier legt. Die Anzahl richtet sich nach der Vitalität bzw. Legeleistung der Königin. Wir geben so viele Waben in den Brutraum, wie die jeweilige Königin in der Lage ist zu bestiften. Damit verhindern wir einen übermäßigen und z.T. nutzlosen Eintrag von Pollen. Eigentlich sammeln Bienen so viel Pollen wie möglich, wenn das Angebot da ist. Sie bringen ihn nach 8-10 Flügen, also ungefähr 8-10 Stunden Arbeit, nach Hause und lagern ihn mit Enzymen zum so genannten Bienenbrot ein. So lange, bis alle Waben gefüllt sind, unabhängig davon, ob sie den Pollen auch verwerten können. Meist ist es zu viel, dann schimmelt und verdirbt er. Durch die Limitierung der Wabenzahl in unserer Methode, unterbinden wir dieses übereifrige Pollen-Sammeln. Wenn die vorhandenen, limitierten Waben gefüllt sind, gehen die Bienen früher zum Nektarholen über. Und daraus gewinnen wir Honig. So ernten wir etwa die dreifache Menge an Honig, als ohne diese Maßnahme möglich wäre.

Stefanie: Die Zahl der Bienenvölker nimmt global ab. Was passiert da?

Michael: Es gibt kaum noch Wildvölker. Bienenkrankheiten, der für sie tödliche Pestizideinsatz in der Landwirtschaft, mangelnde Nahrungsmöglichkeiten, rigoroses Mähen der Blütenflächen und weniger Unterschlupfmöglichkeiten in freier Natur, z.B. in alten Baumhöhlen, sind Gründe für den Schwund der Bienen. Es gibt darüber hinaus immer weniger Imker, die sich um Bienenhaltung kümmern. Zum Glück ist über die PR-Kampagnen der letzten Jahre und Werbung durch die Imkervereine eine Trendumkehr wahrnehmbar.

Stefanie: Was könnt ihr tun, damit es unseren Bienen gut geht?

Michael: Wir wenden einige Tricks an, die der Gesundheit und dem Erhalt des Bienenvolks dienen. Zum Beispiel verlängern wir unser Flugbrett, den Landeplatz der Bienen vor dem Stock, bis auf den Boden. Scheint die Sonne morgens auf den Stock, täuscht das manchmal über die wirkliche, kühle Temperatur weg und die Biene fliegt bei zu geringer Wärme aus. Kommt sie dann in den Schatten, stürzt sie leider ab, kommt dann nicht mehr zum Stock hinauf und stirbt. So verliert ein Imker unter Umständen innerhalb weniger Stunden viele Bienen. Mit unserer schrägen Aufstiegshilfe können die Bienen wieder sicher zurückkrabbeln.

Beim Ernten der Wiesen orientieren wir uns am Tageszyklus und mähen erst nachmittags. Damit stellen wir sicher, dass die Flugzeit der Bienen vorbei ist und wir nicht tausende Tiere durch die Maschinen verlieren, die das Gras schneiden. Zukünftig werden wir vermehrt auch Blumen- und Wiesenstreifen stehen lassen – das sichert die Pflanzen- und Insektenvielfalt. Und die Blüten haben Zeit, zur Samenreife zu kommen. Sie haben also die Chance, im nächsten Jahr auch wieder zu blühen und sich fortzupflanzen. Auf unseren Feldern versuchen wir außerdem, in insektenfreundliche Misch- statt Monokulturen anzubauen. So stehen jetzt neben unseren Gewächshäusern gleichzeitig Gerste, Erbse und Wicken.

Stefanie: Das große Problem mit der Varroa-Milbe – haben wir das auch?

Michael: Ja, das ist auch bei uns eine Herausforderung. Mit Thymol und Oxalsäure kriegen wir das jedoch einigermaßen in den Griff. Das Thymian-Öl wird nach der 2. Ernte in den Stock gegeben, wo es ausdampft. Die Milben mögen das nicht und fallen aus den Haaren der Bienen, die sie dann aus dem Stock räumt. Im Winter träufeln wir vorsichtig und wohldosiert die giftige Oxalsäure auf die Tiere. Hiervon stirbt die Milbe, nicht die Biene. Darüber hinaus entnehmen wir im Frühjahr große Teile der Drohnenwaben. Das sind die gedeckelten Zellen, in denen die männlichen Bienen heranreifen und wo vermehrt Varroa-Milben sitzen. Wir nehmen in Kauf, dass wir schließlich weniger Drohnen haben, die für die Begattung der Königin verantwortlich sind, sichern aber dadurch das Überleben ganzer Völker.

Stefanie: Propolis und Gelee Royale, die alternative Medizin hat die Biene für sich entdeckt. Sind diese Ansätze für dich interessant?

Michael: Sicher, das finde ich spannend. In der sogenannten Apitherapie werden Bienenprodukte wie Pollen, Bienengift, -wachs, Propolis und Honig sowie die Bienenluft eingesetzt. Das Kittharz Propolis wird als antibakterielles und antivirales Mittel verwendet und Pollen und Gelee Royale zählen aufgrund ihres hohen Nährstoffgehalts zu den Nahrungsergänzungsmitteln. Dass Honig bei Halsbeschwerden und auf wunder, verbrannter Haut keimhemmend wirkt, ist ja schon länger bekannt. Neu erforscht wird, wie sich die Bienenluft aus dem Stock auf Atemwegserkrankungen auswirkt und ob Bienengift bei Gelenkschmerzen und -entzündungen wie Arthritis und Multiple Sklerose helfen kann.

Stefanie: Wie sieht dein nächstes Jahr aus?

Michael: Ich werde weiter unsere Völker vermehren, um unseren Bienenbestand zu vergrößern. Außerdem plane ich, Imkerkurse in Theorie und Praxis zu geben und Jungimker bei ihrer wichtigen Arbeit zu begleiten.

Stefanie: Danke, Michael, für das informative Gespräch!

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