In genau diese Welt hinein wirken…
Wenn ich Zeitungen lese oder Meldungen und Ansprachen unserer Politiker höre, dann verdichtet sich das Bild einer angsterfüllten, chaotischen Welt. Wie sollen da Menschen anders als sich abwenden und sich zurückziehen ins Private, Banale, Vereinzelte?
Wie wollen wir als Gemeinschaft in diesem gesellschaftlichen Klima wirken? Wo es doch viel einfacher ist sich ganz heraus zu halten und die eigene ideale Insel abzuschotten. Würden wir damit nicht genau das Gleiche machen?
Was unsere westliche Kultur und wir alle in den nächsten Jahren lernen werden müssen: Zwischen all dem, was doch so wichtig oder abzulehnen erscheint, den eigenen Weg mit allen uns gegebenen Möglichkeiten im Sinne eines gemeinsamen WIR zu gehen. Die Illusion eines vom Du getrennten Ich kann sich nur auflösen, wenn die Bedeutung von Vergleichen, Bewertung, Ablehnung und Begierde keine grundsätzliche Macht mehr bekommen. Und wo anders als in der ehrlichen täglichen Begegnung, im unausweichlichen Alltag, mitten in der Welt kann dies geschehen?
Dieses neue gemeinschaftliche WIR ist nicht mehr steuer-, manipulier- oder in Einzelteile aufteilbar – gerade wenn es aus authentischen Einzelwesen besteht. WIR integriert universalen Hintergrund und individuellen Ausdruck zu einer natürlichen Hierarchie: Ich nehme einfach meinen Platz ein, der sich durch mich zeigen möchte und den ich als stimmig erfahren kann. Die Voraussetzung von wirklich freier authentischer Entfaltung. Dann spielt die Wertung, der Vergleich zum Standort des Anderen, keine Rolle mehr – und damit Macht und Ohnmacht als Grundlage unserer jetzigen Gesellschaft. Dann spielt es keine Rolle mehr wenn wir uns in der Sache reiben – denn wir bleiben verbunden. Wir alle freuen uns über das So-Sein des Anderen, denn sein sichtbarer Platz, seine Form, ist bereits durch meinen Platz, meine Form, bedingt – und umgekehrt.
Dann stehen wir im Ideal einfach da und lieben einen Menschen, eine Fähigkeit, einen Moment mit all` unserer Menschenkraft – und erfahren gleichzeitig, dass die Tiefe und Intensität unserer Liebe, auch die Dunkelheit und das Leid ins Unendliche treiben – denn wir werden alles vielleicht bereits im nächsten Moment wieder verlieren. Und wissen doch: Genau das ist die Bewegung von Leben…Dieses Wissen verbindet bereits Bewusstsein und Herz, Mensch und Geist, Du und Ich…und um uns herum brechen die Formen…ein Mysterium.
In diesem Sinne freue ich mich ein Mensch zu sein, der genau hier, in diesem Kulturkreis, dieser Welt, als dieser Mensch, geboren wurde. Es ist mein Platz, den ich hier in diesen Traditionen einnehmen und den ich mit meinen Fähigkeiten weiter entwickeln soll. Wenn ich es wage immer absichtsloser zu sein und mich meinem inneren Licht zu stellen, dann verlieren sich das dichte ICH und die scheinbar mächtigen materiellen Strukturen. Es und sie werden porös, durchlässig. Und so zeigt sich, durch uns und mich hindurch, eine geistige Wirklichkeit in die materielle Welt hinein – und strahlt. In der Erfahrung dieser einen Wirklichkeit, jetzt, beginnen wir zu strahlen und treten wieder in Verbindung, gehen in die Herzen anderer. Wir beginnen zu dienen, als Gefäß für eine transzendente Wirklichkeit und werden dabei mit anderen immer mehr verbunden. Wir helfen gleichzeitig diesen Anderen, ihren ganz eigenen Platz einzunehmen – so wie sie uns. Manchmal liebevoll, manchmal einfach nur klar, ausdauernd, reibend – oder auch in der Sache mit einem Nein.
In diesem Sinne freue ich mich am Leben, auch wenn mich gerade vieles stört. Mein Leben ist voller Glück – auch wenn ich das nicht oft im Sinne des Wortes begreife. Nicht weil es so oder so ist, da oder dort – einfach weil ich Leben erfahren darf…hier mitten in der Welt.
Wolfgang