von Ute Scheub und Stefan Schwarzer‘
„Humus macht Leben, Leben macht Humus“ – ausgerechnet ein konventioneller Landwirt lieferte das schönste Motto für das Symposium „Aufbauende Landwirtschaft“ im Ökodorf Schloss Tempelhof Ende Januar.
Michael Reber, der auf seinem Hof nahe Schwäbisch Hall „dramatisch fallenden Erträge“ und „massiven wirtschaftlichen Druck“ erlebte, berichtete dem rund 100-köpfigen Publikum in einem bewegenden Auftritt, durch einen ökologischen Bodenkurs habe sich sein Leben verändert. Seitdem pflügt und spritzt er nicht mehr, verabreicht seinen Pflanzen Komposttees und baut Boden auf. Folge: „Der Mais steht bombig da.“
Die Gemeinschaft Tempelhof hatte den Kongress organisiert, um Fachberater und Praktikerinnen, Bauern und Gärtnerinnen zusammenzubringen. Aufbauende Landwirtschaft, so formulierte sie in der Einladung, sei „die Kunst, Nahrungsmittel zu produzieren und dabei gleichzeitig die natürlichen Ressourcen wieder aufzubauen, die Böden zu verbessern und zu beleben, Wasser zurückzuhalten, Tieren Lebensraum zu bieten und vieles mehr.“ Es geht also um mehr als „bio“, es geht auch um Agroforstsysteme, Holistisches Weidemanagement, Permakultur und weitere agrarökologische Praktiken, die Kohlenstoff aus der CO2-überlasteten Atmosphäre zurück in den Boden bringen und Humus aufbauen. Weltweit angewandt, könnte man damit die Krise von Klima, Wasser und Böden binnen weniger Jahrzehnte bewältigen.
Aber dazu gehört auch eine andere ethische Haltung: Empathie mit allen Lebewesen. Der Biobauer Sepp Braun aus Freising bei München verkörpert diese Fähigkeit auf spürbare Weise. „Ich möchte, dass sich mein Weizen wohlfühlt“, formulierte er in seinem Vortrag. Oder, so fragt er sich: „Was hat die Kuh, der Regenwurm, der Weinstock für Bedürfnisse?“ Seine Kühe dürfen selbständig auf die Weide, die Kälber dürfen nuckeln, seine Hühner haben Fünf-Sterne-Ställe mit viel Auslauf und vorgekeimtem Futter. Der Tierarzt, der immer seltener kam, solle demnächst Geld solange bekommen, wie die Tiere gesund bleiben, und nicht umgekehrt. Sepp Braun betätigt sich auch als innovativer Futterforscher. Die Artenvielfalt in seinen Wiesen lasse den Salvastrole-Gehalt in seinen Milchprodukten steigen, die Menschen friedfertiger machten, berichtete er.
Auch Margarethe Langerhorst, die in Österreich auf nur 1600 Quadratmeter mit bioveganen Intensivgartenbau etwa 40 Kunden plus die eigene Familie ernährt, beeindruckte das Publikum mit ihrer liebevollen Haltung. Sie habe ein herzliches Verhältnis zu den Bauern und Jägern in der Nachbarschaft, denn „jeder Mensch ist auf seinem eigenen Weg“. Sie rede mit Schnecken und Mäusen in ihrem Garten, damit diese verstünden, dass sie auch woanders Nahrung fänden – „und das hat Wunder bewirkt!“
Mit gezieltem Aufbau von Humus und Bodenleben explodiert offenbar die Fruchtbarkeit – dafür gab es auf der Tagung reichlich Beispiele. Die Ergebnisse der Gärtner vom Ökodorf Tempelhof ließen sich in der Kantine des Ökodorfs kosten, sie ernähren über das Modell der Solidarischen Landwirtschaft von etwa drei Hektar rund 200 Personen mit Gemüse. Die kanadische Farm La Grignette versorgt mit ihren Feldfrüchten auf 0,8 Hektar 52 Menschen. Das Team der Ridgedale Permaculture Farm in Schweden erntet auf gerade mal zwei Hektar Gemüse für 25 bis 70 Menschen. Und all diese Beispiele funktionieren ohne schwere bodenverdichtende Traktoren.
Agrarberater Dietmar Näser, Ingrid Hörner, Burkhard Kayser und weitere gaben Einblicke in ihre Praxis, und die Tierärztin Anita Idel („Die Kuh ist kein Klimakiller“) machte deutlich, von welcher globalen Bedeutung Humusbildung durch Weidetiere ist. Ein Mitschnitt des gesamten Symposiums ist auf www.aufbauende-landwirtschaft.de zu finden.
Nach dem Symposium erschien der Artikel “Kooperation der Klugen vonnöten” im Hohenloher Tagblatt.
Schon mal vormerken für 2018
Alle Permakultur-Interessierte, sowie professionell arbeitende Landwirte und Gärtnerinnen können sich schon einmal den Termin für´s nächste Symposium Aufbauende Landwirtschaft vormerken: 26.-28.01.2018
Buchtipp zum Thema
Der Veranstalter des Symposiums Stefan Schwarzer hat zusammen mit Ute Scheub ein Buch, passend zum Thema veröffentlicht.
Sie stellen in “Die Humusrevolution. Wie wir den Boden heilen, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen” die zahlreichen Möglichkeiten einer regenerativen Agrikultur vor. Wie kann sie etabliert werden, welche Hindernisse sind zu bewältigen, wie und wo können wir politisch aktiv werden? Und nicht zuletzt: Was können wir im eigenen Umfeld tun? Denn jede(r) Einzelne kann mithelfen, unsere Öko- und Ernährungssysteme zu heilen und zu schützen.