Mitten in unserer Märzintensivzeit, in der wir auf 10 Jahre Tempelhof zurückgeschaut haben, bekommen wir die Auswirkungen des Virus zu spüren. Nein, noch ist niemand bei uns als Corona-Verdachtsfall definiert oder in Quarantäne. Aber wir haben mittlerweile Schule, Kindergarten und das Seminar- und Gästehaus schließen müssen. Und wir sind gezwungen, uns ganz grundsätzlich mit dem, was wir unter Gemeinschaft verstehen, zu beschäftigen. Denn wenn in solchen unklaren Situationen einer der zentralen menschlichen Werte, der soziale Austausch und die praktische Begegnung mit unseren Freunden, Familien und Lebensbezügen als gefährlich für die Gesundheitsvorsorge gilt, dann betrifft dies unsere Gemeinschaft essentiell in unserer Vision einer offenen, liebevollen Beziehungs- und Begegnungskultur. Natürlich gibt es auch bei uns Ängste und auch wir sorgen uns gerade um unsere älteren und vorbelasteten Menschen – ganz unterschiedlich in den Emotionen, so vielfältig wie wir als organisches Gebilde auch aufgestellt sind. Nur erleben wir die Eigenverantwortung im liebevollen direkten Bezug zu den Mitmenschen als das wesentliche Gut echter demokratischer Bezüge und als beste Voraussetzung für wirkliche Heilung. Wir vertrauen darauf, dass sich aufgeklärte Menschen, die sich mitfühlend auf Mitmenschen und Natur beziehen, so verhalten werden, wie es notwendig sein wird.
In diesem Sinne wissen auch wir nicht, wie es weiter gehen wird. Unser Gemeinschaftsorganismus bewegt sich langsamer, verinnerlichter – und gleichzeitig zugeneigter. Wir konzentrieren uns auf die innere Entwicklung, jeder und jede einzelne auf ihre, seine Weise und wir alle zusammen in Solidarität. Durch die Schließungen unserer Betriebe haben wir nun mehr Zeit für die eigene Versorgung, auf den Feldern und unsere innere Entwicklung. Wir erleben gerade einen großen Zusammenhalt.
Es gilt, sich bewusst zu machen, dass wir dem Geschehen nicht machtlos ausgesetzt sind. Es ist eine Entscheidung, den Focus auf das Bedrohliche, die Angst, die Ungewissheit zu legen oder uns auf das auszurichten, was Gutes in dieser Situation liegen könnte. Warum nicht Corona auch als Chance begreifen? Wenn so Vieles gerade zusammenbricht – dann lässt sich daraus Vieles neu, anders, zukunftsfähiger wahrnehmen und gestalten. Im Außen wie im Inneren.
Gleichzeitig gilt unser Mitgefühl den gesundheitlich Betroffenen, aber gerade auch den kleineren Betrieben, Freiberuflern und allen Kulturschaffenden, für die nun eine dramatische Situation entstanden ist. Am besten können wir dies an unserem eigenen Seminarbetrieb erleben, denn unsere ganze Arbeit der letzten Monate, die vielen sorgfältig aufgestellten und sinnstiftenden Veranstaltungen der nächsten Monate, sind nun mit einem Gesetzesstrich aufgelöst. Für viele Kulturschaffenden ist diese Situation Existenz bedrohend, wenn nicht das Ende – wir erfahren zum Glück gerade, welche solidarischen Kräfte eine Gemeinschaft hat.
Euch und uns allen wünschen wir nun, dass diese schwierigen Zeiten Solidarität aufblühen lassen – und wir alle trotz allem die wichtigste Form von Gesundheitsvorsorge mehr denn je leben: füreinander miteinander – und sei es momentan konzentriert auf den kleinen Kreis von Freunden und Familie, was auch immer mitfühlende Selbstverantwortung vorgibt. Wir können diese Krise auch als Chance gemeinsam in die Veränderung der Welt tragen…
Wolfgang Sechser, MarieLuise Stiefel