Persönliche Eindrücke von der Veranstaltung: Wie geht Frieden?
Der Krieg in der Ukraine in nächster Nähe und die gesellschaftlichen Umbrüche berühren uns alle und stellen viele geglaubte Sicherheiten und Zukunftshoffnungen in Frage. Sie berühren auch frühere Erfahrungen in unseren Familien und fordern uns heraus, in Empathie zu bleiben. Doch wie gelingt Frieden in mir, Frieden zwischen uns, und Frieden in der Welt?
Die Zukunftswerkstatt am Tempelhof widmete sich diesen Herbst dem Friedensthema und bewegte Fragen, die diese drei Ebenen betreffen:
- Was in mir braucht noch Frieden? Den inneren Frieden pflegen, der eigenen Negativität zu begegnen, sie zu mir zu nehmen und sie zu transformieren.
- Was kann ich in meiner unmittelbaren Umgebung, in meinen Beziehungen beitragen, um authentisch und konfliktfreudig präsent zu sein für ein wohlwollendes Miteinander?
- Was sind kluge, emphatische Ansätze für einen Frieden zwischen den Völkern?
- Wie verarbeiten wir Ängste, Desillusionierungen und Verzweiflung, ohne in Trennung zu gehen?
- Wie stärken wir Vertrauen und Mitgefühl, um das Friedensfeld zu erweitern und zu stärken?
Einen persönlichen Einblick gibt Fred Zimmermann:
Wirklich sehr bereichernd und sich gegenseitig befruchtend waren die Impulse von den verschiedenen Referenten oder besser Impulsgebern*innen, die eingeladen waren. Ein Friedensforscher, Prof. Wolfgang Dietrich, der seit 40 Jahren an diesem Thema forscht, machte deutlich, wie sehr doch der Unfriede schon in unseren europäischen Sprachen hinein programmiert ist und wie indigene Völker damit beschenkt sind, da bestimmte Begriffe, die unweigerlich zu Trennung, Konfrontation und Streit führen, in ihrer Sprache gar nicht vorhanden sind. Dadurch wurde deutlich, dass allein schon das Gefangen-Sein in unserer Sprache und damit in unserem Denken, es uns trotz aller Sehnsucht nach Frieden nicht gerade leicht macht, diesen in uns selber zu finden und damit auch im außen zu ermöglichen.
Als ein Mensch mit 40 Jahren Gemeinschaftserfahrung und als eine Person, die sich seit dem mit dieser Frage auseinandersetzt und daran forscht, konnte Dolores Richter natürlich auf unglaublich kompetente Weise verdeutlichen, wie sehr doch Unfriede in erster Linie daher rührt, dass in mir selber kein Friede ist und wie sehr das mit dem Unfrieden im Außen zu tun hat, bzw. wie sich mein innerer Unfriede auf das Außen überträgt bzw. sich dort spiegelt. Und wieviel Mut es braucht, in diesen Spiegel zu schauen und nicht zurückzuweichen, sondern hindurch zu Schreiten zum „Frieden“.
Wie geht es, dass der innere Friede als nächstes dann im außen sichtbar wird, durften wir erleben, als der Pazifist (lat.: friedliebend – Frieden bringend – Frieden stiftend) und Pädagoge Markus Stettner-Ruff uns das Projekt „Tamie-H“, was von hinten gelesen Heimat bedeutet, vorstellte und nahe brachte. Ein ehemaliger Militärflugplatz in Crailsheim aus dem 2. Weltkrieg wurde in einen Ort des Friedens verwandelt, einen Ort, an dem Flüchtlinge wieder hineingenommen werden in die Menschenfamilie. Eine Hand wird gereicht, um neues Leben zu ermöglichen. Es wird zusammen gearbeitet, getanzt, gesungen, gelacht und sich gegenseitig unterstützt.
Zum Schluss wurden wir mit wunderbarer Livemusik aus Syrien und der Ukraine beschenkt.
Danke Agnes, dass du diese Tage hier am Tempelhof ins Leben gerufen hast.
Danke Markus, Dolores und Wolfgang für eure so wertvollen Impulse. Danke an jeden einzelnen in der Gruppe und Danke, dass ich dabei sein durfte.
In mutiger vertrauensvoller Begegnung entstand Verbindung und so wurde Wärme und Friede spürbar und auch in unseren Gesichtern sichtbar.
(Fred Zimmermann)
Ein Gedicht der Navajo Indianer:
Der erste Friede
Der erste Friede, der wichtigste, ist der, welcher in die Seele des Menschen einzieht;
wenn die Menschen ihre Verwandtschaft, ihre Harmonie mit dem Universum einsehen und wissen,
dass im Mittelpunkt der Welt das große Geheimnis wohnt.
Und dass diese Mitte tatsächlich überall ist; sie ist in jedem von uns.
Dies ist der wirkliche Friede.
Alle anderen sind lediglich Spiegelungen davon.
Der zweite Friede ist der, welcher zwischen einzelnen geschlossen wird.
Und der dritte ist der zwischen Völkern.
Doch vor allem sollt ihr sehen, dass es nie Frieden zwischen Völkern geben kann, wenn nicht der erste Friede vorhanden ist, welcher innerhalb der Seele wohnt.