Die Vernetzung in die Umgebung nimmt stetig zu, und die Zusammenarbeit mit dem etwa 40 km entfernten Dorf Hülen schlägt ein neues Kapitel konkreter Kooperation auf.
Fünf Gemeinschaften bundesweit haben 18 Monate mit einem gewachsenen Dorf in ihrer Umgebung zusammengearbeitet, um mit den Bürger*innen dort einen Prozess zukunftsweisender Dorfentwicklung zu gestalten. Das Pilotprojekt ‚Leben in zukunftsfähigen Dörfern‘ des Deutschen Ökodorf-Netzwerkes GEN Deutschland eV wurde vom Umweltbundesamt finanziert, und die zentrale Frage lautete, wie Ökodörfer als Katalysatoren nachhaltiger ländlicher Entwicklung wirken können.
In reizvoller Landschaft zu Fuße der malerischen Kapfenburg liegt das Straßendorf Hülen mit knapp 600 Einwohnern, als einer von drei Ortsteilen der Stadtgemeinde Lauchheim. Ortsvorsteher Andreas Walter und die Lauchheimer Bürgermeisterin Andrea Schnele sind herzliche und engagierte Anpacker und stellten eine überzeugende Bewerbung um die Teilnahme am Förderprojekt zusammen. Dies beinhaltet vor allem die Gestaltung und Moderation eines Dorfentwicklungsprozesses mit den Bürger*innen durch ein Tempelhofer Moderationsteam um die Koordinatorin Magdalena Kloibhofer, sowie die Teilnahme an bundesweiten Veranstaltungen zu Austausch und Vernetzung mit den anderen Kooperationspaaren.
Das Projekt
Der erste Schritt im Projekt war eine gemeinsame Bestandsaufnahme entlang der Nachhaltigkeitsdimensionen Kultur – Soziales – Ökonomie – Ökologie: Wie gut sind alle Gruppen im Dorf in das soziale Leben integriert? Was verbindet uns als Dorfgemeinschaft und wo gibt es Freiräume für die persönliche Entwicklung und künstlerische Betätigung? Fördern wir ökologische Vielfalt und wo können wir Ressourcen besser nutzen? Wie stärken wir die lokale Wirtschaft, und was können unternehmerische Initiativen zur Lebensqualität im Dorf beitragen? Mit diesen und ähnlichen Fragen haben sich mehr als 40 Dorfbewohner*innen in einer intensiven Gruppenarbeit beschäftigt. Unter Moderation eines Teams der Zukunftswerkstatt Schloss Tempelhof wurden viele Antworten und Ideen diskutiert, zusammengetragen, schriftlich festgehalten und Schwerpunktthemen für das Dorf identifiziert.
Neben den vielen Stärken wie der guten Verkehrsanbindung, schönen Landschaft und einem reichen Kulturleben verwiesen die Arbeitsgruppen auf Herausforderungen wie eine unzureichende Busverbindung und den fehlenden Ortsmittelpunkt. Auch verstärkte Jugendarbeit, mehr Verbindung zwischen Alt-und Neubürgern in Hülen, oder selbstbestimmtes Altwerden im Ort wurden als wünschenswerte Zukunftsbilder angesprochen.
In zahlreichen weiteren Treffen wurden konkrete Projekte entwickelt und von den engagierten Hülener Teams umgesetzt: Eine Mitfahrbank nach Lauchheim und zurück für einfache Fahrgemeinschaften, eine Dorfgruppe beim online-Portal nebenan.de als virtuelles Schwarzes Brett, und erweiterte Angebote im verbliebenen Dorflädchen, um die Nahversorgung zu stärken. Auch eine Repaircafé-Gruppe hat sich gebildet und sucht Wege, wie das ressourcenschonende und gemeinschaftsstiftende Konzept, gemeinsam Haushaltsgeräte und anderes zu reparieren, in einem kleinen Ort wie Hülen sinnvoll angeboten werden kann.
Das wichtigste Thema war von Anfang an die fehlende Dorfmitte und der Wunsch nach Räumen, wo die Dorfgemeinschaft zusammenkommt. Dazu wurden die vorhandenen Räume gemeinsam analysiert und verglichen, lokale Bedarfe erhoben, Aus- und Umbauideen entwickelt und schließlich Einigkeit über eine Lösungsidee erzielt, die nun dem Gemeinderat vorliegt und idealerweise mithilfe eines LEADER-Projektes in Kooperation mit den anderen am Projekt beteiligten Dorfpaaren umgesetzt werden soll.
Wechselseitige Besuche
Ein Höhepunkt des Projektes war mit Sicherheit der gut besuchte Dorf-Aktionstag im Juni unter Beteiligung aller Hülener Vereine und Initiativen, wo sowohl die Vielfalt des bestehenden Vereinslebens als auch die Ergebnisse und Bürgerprojekte aus dem Dorfentwicklungsprozess erlebbar wurden, beispielsweise in der gemeinsamen Repair-und Nähecke des Hülener Teams und der upcycling-kundigen Tempelhoferin Gabriele Gleixner.
Mehr als 30 engagierte Hülener waren bei einem Besuch am Tempelhof dabei und betonten danach, wie wichtig es für sie war festzustellen, dass wir alle ‚normale Leute‘ sind. Besonders beeindruckt hat natürlich auch, dass wir als 150-Seelen-Dorf von Dorfladen über Café bis zur Schule so viel eigene Infrastruktur schaffen und erhalten können. Starker Zusammenhalt im Dorf und klare Prozesse für gelingende gemeinsame Entscheidungsfindung bilden unsere Basis dafür, und ein Workshop zu partizipativen Moderations- und Entscheidungsmethoden fand großen Anklang in der Kerngruppe der engagierten HülenerInnen.
Eine lebendige Dorfgemeinschaft ist die Basis für nachhaltige und zukunftsfähige Dorfentwicklung, so ein zentrales Fazit des Gesamtprojektes aus der Arbeit mit fünf Dörfern im ganzen Bundesgebiet. Bei überregionalen Treffen und Veranstaltungen mit Wissenschaft und Politik wurde dies weiter diskutiert und ein Antrag für ein Nachfolgeprojekt mit noch stärkerem Fokus auf gemeinschaftliches Handeln und Entscheiden beim Umweltbundesamt eingereicht – schon im April 2019 geht es also hoffentlich weiter mit der offiziellen Kooperation zwischen Tempelhof und Hülen. Verdeutlicht durch das schöne Apfelbäumchen, das die Hülener am Tempelhof gepflanzt haben, ist auch jenseits des Förderprojektes ein guter Grundstein für die langfristige Verbindung der Dörfer gelegt.
Hier geht es zur Projektwebsite mit einem schönen Film über die Dörfer und Ergebnisse (13min):
Magdalena Kloibhofer