Seit 13 Monaten gibt es nun ein fünfköpfiges Bauteam in unserer Gemeinschaft, das sich wöchentlich updatet und intensiv austauscht. Es geht um den Neubau unserer Essräume.
Davor fand ein einjähriger Prozess statt, den eine kleine Gruppe initierte, um einen Ablauf der Entscheidungen im Dorf vorzubereiten.
Wir hoffen, mit unseren neuen Essräumen spätestens im März 2021 abgeschlossen zu haben. Vielleicht schon ab Januar die Räume, wenigstens teilweise, nutzen zu können.
Somit wäre das ein Prozess, der über 2,5 Jahre mit einer Bandbreite von A wie Ausdauer, Beherztheit, Charisma, Durchhaltevermögen, Engagement, Freude, Ganzheitlichkeit, Herzblut, Innigkeit, Jubel, Konzentration, Liebe, MegaEntscheidungen, Nervosität, Ordnung, Pausen, Querdenken, Ruhe, Spaß, Treue, Urvertrauen,Verbundenheit,Warmherzigkeit, bis hin zu XYZ… so ziemlich alles beinhaltet, was unsere zwischenmenschlichen Beziehungen prägt.
Das Besondere zeigte sich schon bei der Teamfindung, da sich verschiedenste Menschen „gerufen“ fühlten. Unser BauTeam ist heterogen zusammengesetzt mit Bauerfahrenen, Künstlerisch Gestaltenden, handwerklich Arbeitenden, praktisch Denkenden, Gemeinschaftserfahrenen und Innovativ Querdenkenden….vielleicht haben wir nun nach über einem Jahr je alles in uns vereint.
Für mich war es ein Eintauchen in ein Planungs- und Baugeschehen, das nicht planbar war. Einzig über das Ziel, nämlich Essräume an unserer bestehenden Küche zu haben, bestand Übereinstimmung. Alles andere wurde basisdemokratisch bewegt und abgestimmt.
Ich arbeite als Köchin in unserer Gemeinschaft und lernte bei jeder Sitzung mindestens ein neues Wort, wie Glasschaumschotter, Fetten, ….und mein Denken erweiterte sich dadurch, dass wir Themen wie z.B. Akustik, Farbgestaltung, Wand- und Bodenbelag immer von verschiedensten Blickwinkeln aus betrachteten, was in Gemeinschaft üblich ist. Unsere Vielfalt und das Geschenk jedes Einzelnen wird dadurch greif-, fühl- und spürbarer. Hier im Reallabor der Realisierung unserer neuen Essräume wird es sichtbar.
Ein besonderes Erlebnis will ich hier erzählen: Wir hatten etliche (also VIELE) Stunden mit Recherchen, Diskussionen und Planung unserer idealen Akustikdecke zugebracht. Als wir dann im mittlerweile entstandenen Rohbau standen und die Wirkung der Holzbalkendecke spürten, kam der Wunsch auf, diese so zu belassen…neue Gedanken zu einer möglichen nachträglichen Akustikreduzierung an der Decke wurden gefunden und wir waren alle erleichtert, unsere zuvor so lang erarbeitete Planung zurück zu nehmen, weil wir nun eine stimmige neue Entscheidung treffen konnten, die noch idealer schien. Natürlich erfordert dies eine innere Offenheit und eine Bereitschaft, loszulassen. Nun, das war manchmal auch schwierig, da wir uns nicht immer einig waren, dann wurde gerungen, Argumente ausgetauscht, vertagt, neue Argumente ausgetauscht, heftig diskutiert, abgewogen, so lange bis alle damit sein konnten. Dies ist ein Prozess, der viele Gemeinschaften prägt, so auch uns, da wir am Tempelhof meistens im Konsensverfahren abstimmen. Allerdings kann ich mich an keine konkrete Abstimmung in unserem Team erinnern, mit Handzeichen – es waren immer kreative Runden, in denen wir uns einigten. Auch unser gegenseitiges Vertrauen ist gewachsen, wir delegierten und verorteten Aufgaben in Teams, die ihre Ideen dann wieder in unserem Bauteam vorstellten. Dazu gab es natürlich Rückfragen, Anmerkungen, Infos, die manchmal einen Prozess auslösten, manchmal auch verzögerten. Dies nervte (selten) und war am Ende immer gut, da ergänzende Blickwinkel dazu kamen und das Ergebnis zufriedenstellte.
Zur Zeit gilt es, im Baugeschehen konzentriert und gelassen zu sein und Möglichkeiten zu finden, kreativ zu gestalten, verbunden zu arbeiten, um in einem Miteinander gemeinsam zu erschaffen. Für mich fühlt sich das an wie ein festliches Menü zu kreieren, bei dem die Gänge, für sich einzeln eine exquisite Komposition sind und als ganzes ein Feuerwerk des Genusses.
Mögen unsere neuen Essräume dies auch werden.
Birgit Fischer