„Wer bin ich für die Welt von morgen? Was braucht es in der heutigen Zeit? Wie will ich in die Welt wirken?…….??“ Um Raum für solche Fragen zu schaffen für junge Menschen in der Orientierungsphase, haben die Orientierungswerkstätten am Tempelhof diesen Sommer zwei Camps veranstaltet: Ein Orientierungscamp mit dem Untertitel: Die Welt von morgen erträumen im Juli 2020 und einen Naturbaukunst-Workshop zum Thema: Lebenskunst gestalten im August 2020.
Bei beiden Camps ging es um Begegnung, Austausch, Gemeinschaftserfahrung und Vernetzung, Naturverbindung und Einfachheit. Beim Orientierungscamp lag der Fokus mehr auf Fragen des Lebens, beim Naturbaukunst-Workshop auf Hand anlegen, gestalten und kreativem Ausdruck.
Das Ziel des Projektes Orientierungswerkstätten am Tempelhof ist die Entwicklung eines inneren und äußeren Lebens- und Orientierungsortes und Anlaufpunktes für junge Erwachsene von ca. 18 bis 28 Jahren. Wir wollen diesen Erfahrungsort aber nicht vorgeben, sondern gemeinsam mit den jungen Menschen entwickeln. Die Camps in diesem Sommer waren die ersten Erkundungsschritte des Projektes.
Zum Orientierungscamp kamen 30 junge Menschen aus ganz Deutschland und fanden sich für 10 Tage am Tempelhof ein. Glücklicherweise gab es ab Ende Juni eine Verordnung in Baden-Württemberg (im Bereich der Jugendarbeit), nach der wir bei einer festen Gruppe von bis zu 30 Teilnehmern im Außenbereich von den sonst geltenden Abstandsregelungen absehen konnten (mit entsprechendem Hygienekonzept). In Gesprächen, vielen Prozessen und verschiedenen Angeboten haben sich die Teilnehmer miteinander und mit wichtigen Fragen der Entwicklungsepoche der Orientierung auseinandergesetzt.
Wie kraftvoll dafür der Kontext von Gemeinschaft ist, hat sich eindrucksvoll gezeigt – wie z.B. beim Wir-Prozess, bei dem es sehr schnell ans Eingemachte ging und der die Teilnehmer:innen nachhaltig beeindruckt hat. Es gab Frauen- und Männerkreise, Mentorengespräche mit erwachsenen Tempelhofer:innen und Naturerfahrungsangebote. Es haben sich ähnliche Entwicklungsprozesse und Strukturen in den Camps gebildet wie in den Tempelhofer Formaten des „Gemeinschaftskennenlernens“. So ging es beim Orientierungscamp weniger um konkrete Fragen der Berufsfindung und viel mehr um Austausch und um grundlegende Erfahrungen rund um „Ich und Gemeinschaft“, wie z.B. authentisch zu sich selbst zu stehen und damit Halt und Akzeptanz in einer Gruppe zu finden. Den jungen Menschen waren außerdem der Austausch zwischen den Generationen und das Erleben gelebter alternativer Lebensentwürfe besonders wichtig.
Der Einladung zum Naturbaukunst-Workshop folgten 17 junge Erwachsene und erlebten bei Sonne, Sturm und Regen intensive Zeiten: Bewegende Sozialprozesse mit Wir-Prozessen und Forum, geistiger Austausch, handwerkliches Wirken (z.B. beim Bau einer Überdachung bei der Außenküche für die Camps), künstlerisches Gestalten (z.B. kreative Möbel aus Wildholz) und viele Freiräume für Kommunikation, Begegnung und Vernetzung haben die Teilnehmer berührt. Auch das Team hat sich erfüllt und reich beschenkt gefühlt. Spannenderweise fand parallel zum Naturbaukunst-Workshop der gemeinschaftsbildende Praxiskurs „Wir in Aktion“ statt, bei dem es darum geht, wie aus bisher unverbundenen, eigensinnigen “Ichs” eine Gemeinschaft von “All-Leader” wächst, die ein gemeinsames Projekt anpackt und umsetzt. Ein ähnliches Übungsfeld zeigte sich auch bei den Projekten der Teilnehmer im Naturbaukunst-Workshop – mit vielen Prozessen rund ums gemeinsame Tun.
In der Vision des Entwicklungsteams der Orientierungswerkstätten könnte der Naturbaukunst-Workshop sich zu einem größeren Projekt zu bewohnbarer Natur entwickeln.
Stimmen aus den Camps, die uns sehr beeindruckt haben:
„Ich durfte erleben: weitende Liebe, inspirierende Geschenke, offene Arme, liebevolle Unterstützung, Offenheit für Veränderung, Dankbarkeit in mir. Danke! dass wir hier SEIN durften.“
„Was nehmen wir von hier in die Welt mit? Vertrauen ins Leben … Maske ab – zeigen … Utopien … Zuversicht, auf meine innere Stimme zu hören …“
„Ich fand es super, auf das Nötigste beschränkt zu sein, da dadurch für mich das gemeinsame Sein noch mehr im Fokus stand.“
„Besonders berührt hat mich die Erkenntnis, dass man die Geschichte der einzelnen Menschen oder allgemein den Menschen selbst nicht länger kennen muss, um eine tiefe Verbindung und Liebe zu spüren. Und ich denke, dass dies nur dann möglich ist, wenn es dafür ein wohlwollendes, schützendes, achtsames, bedeutsames Setting gibt, das einen aus den Mühlen der Gesellschaft erstmal herausbefördert, um dann zu sehen, was eigentlich zwischenmenschlich möglich ist.“
Weiterführende Infos:
Zu den Orientierungswerkstätten und den Camps: orientierungswerkstaetten@schloss-tempelhof.de
Für anderen Orientierungszeiten und freie Bildungsalternativen: www.orientierungszeiten.info
Verband freier Bildungsinitiativen: www.freiebildungsalternativen.de
Studiengangs-Initiative Selbstbestimmt Studieren: www.selbstbestimmt-studieren.org
Anfang November trifft sich das Entwicklungsteam mit Teilnehmern der Camps und jungen Menschen, die in verschiedenen freien Bildungsinitiativen aktiv sind, zu einem Klausurtag. Hier wollen wir unsere Vision und Ideen für die Zukunft der Orientierungswerkstätten am Tempelhof weiterentwickeln. Beseelt sind wir außer von jährlichen Camps und verschiedenen konkreten Angeboten zur Persönlichkeitsentwicklung vor allem von der Idee einer festen Gruppe junger Menschen, die für eine längere Orientierungszeit hierher kommt.
Kira Petersen und Michael Mai