Corona und ich in Gemeinschaft

Stille, Rückzug und Selbsterkenntnis

Ich lebe seit Gründung der Gemeinschaft am Tempelhof und wie viele andere auch hat mich das Thema um Corona sehr bewegt.

Ich arbeite in der Leitung des Seminarbetriebes. Plötzlich war anstelle der Hochbetriebsphase ein Nichts, Stillstand. Nicht, dass es sofort Pause war, es war anderes zu tun: Absagen verschicken, Stornoabwicklung und Bremsen. Aber dann kehrte auch hier die Ruhe ein.

Da ich gerade ein paar Wochen ohne Pause gearbeitet hatte, kam mir dies auf eine Weise sogar gerade recht. Wann gibt es schon mal eine Zeit der Besinnung?

Ein Thema war meine eigene Gesundheit. Zähle ich nun zu den Risikogruppen? Ja, denn ich bin Raucherin und es gibt bei mir eine Vorgeschichte zur Lunge. Das hat mich natürlich beschäftigt – was bedeutet das für mich, wie gehe ich gerade gesundheitlich grundsätzlich mit mir um? Das war ein kleiner Wachmacher – und tatsächlich mache ich seitdem viele Spaziergänge.

Erstmal Rückzug und Aushalten

Während viele Mails über unsere internen Verteiler liefen und viele Treffen in der Gemeinschaft stattfanden, gehörte ich zu den wenigen Tempelhofern, die erstmal in den Rückzug gegangen sind und an keinen Gemeinschaftstreffen teilnahmen. Ich wollte meine eigene Haltung finden können – ohne mich durch die vielen Meinungen beeinflussen zu lassen. Und ich wollte nicht etwas anderes leben als all die Menschen außerhalb der Gemeinschaft. Ich wollte mitfühlen können, wie es gerade für alle anderen ist und auch in den Zustand der Ruhe kommen.

Ich habe teils jüdische Vorfahren und auch mich beschäftigen Themen wie Ausgrenzungen, Gruppendruck, Mitlaufen. Ich lebe in diesen Wochen in einem Dorf, in dem scheinbar die große Mehrheit sich komplett anders verhält. Wie geht es mir damit, dass ich dann Außen vor bin, wenn sich alle treffen und ich bin nicht mit dabei? Halte ich das aus oder verhalte ich mich wider meine Einstellung, um der anderen willen? Schaffe ich es überhaupt wieder anzudocken oder bin ich dann raus? Anfangs war es schon eine Herausforderung, dass sich die allermeisten MitbewohnerInnen trafen und ich nicht dabei war. Inzwischen ist auch die Vielfalt der Positionen im Dorf sichtbar geworden. Ich habe keine Sorge, wieder gut an die Entwicklung der Gemeinschaft andocken zu können. Ich habe mich für die Treue zu mir entschieden und gegen Mitmachen, um dabei zu sein.

Warum bin ich hier?

In meiner Zeit der Ruhe konnte ich mich Fragen widmen, die sonst weniger Raum erhalten: Warum bin ich hier in der Gemeinschaft? Was vermisse ich, was fehlt mir? Wie geht es mir gerade mit Gemeinschaft im Allgemeinen? Da sind gar nicht neue Themen aufgetaucht, aber jetzt sind sie wieder lebendig.

Ich betrachte die Zeit als eine Chance der Veränderung, sicherlich nicht ohne Schmerz – aber Veränderung kommt ja nicht, weil es schön ist, sondern nötig.

Für mich steht an, wieder mehr Kontakt auch zu Menschen außerhalb des Tempelhofes leben zu können. Und ich möchte die Veränderungen, die jetzt in der Gesellschaft anstehen, miterleben. Deswegen ist mein Weg, mit einem Schritt mehr nach Außen zu gehen. Ich werde in eine Stadt in der Umgebung ziehen. Ich werde weiterhin Teil der Gemeinschaft sein, nur mit den zusätzlichen Möglichkeiten, die ein Leben in der Stadt bietet. Und ich freue mich darauf, künftig mit dem Fahrrad zum Tempelhof zu fahren.

All die Fragen haben sich die ganze Zeit gewandelt, mal waren Themen stärker, mal schwächer und haben sich wieder beruhigt.

Auch wenn ich nicht Teil der Gemeinschaftstreffen war, kann ich gut wahrnehmen, dass sich Verbindungen innerhalb der Gemeinschaft gestärkt haben. Im Rückzug war auch ich mit Einzelnen gut in Verbindung. Und jetzt ist der nächste Schritt, wieder bei der Gemeinschaft anzudocken und aus dem Rückzug zurückzukommen.

Ramona Pump

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