Traumaheilung 2
Da stehe ich mit meiner Last, die mich verharren lässt, bewegungslos haltend, absorbiert von Angst und einer grenzenlosen Hilflosigkeit, die mich unscheinbar, unsichtbar werden lässt…eine grenzenlose Traurigkeit in mir fühlend, unverbunden und einsam ohne jeglichen Halt….
Haben sich so meine Großmütter gefühlt? Als sie sich – die eine mit 4 kleinen Kindern, die andere, schwanger mit einem Zwillingspärchen, mit ihren anderen 13 Kindern – aufmachen mussten, alles hinter sich zu lassen, die schweren Kriegsjahre mit Angst, Schrecken, Hunger und ihre geliebte Heimat, ihre Bauernhöfe, die ihnen das Überleben gesichert hatten. Alles aufgeben, um das Kostbarste, das Leben ihrer Kinder und ihr eigenes, zu retten.
„Vertriebene“ – so wurden sie betitelt, vertrieben aus ihrer Heimat, aufgenommen per Verordnung, die ihnen und ihren Kindern ein Überleben sicherte. Aufgenommen, um zu überleben, damit ihre Kinder überleben konnten.
Ich habe mein Leben diesen beiden starken Frauen, den Müttern meiner Eltern, zu verdanken. Glücklicherweise durfte ich beide noch kennen- und lieben lernen.
Ich wuchs auf in einer sprachlosen Zeit, in der geschwiegen wurde, weil das Unaussprechliche keinen Raum hatte. In einer Zeit, in der alles möglich war, in der vorwärtsgeschaut wurde, um alles zu verändern, in der Zeit des Wirtschaftswunders.
Es war eine Zeit, in der Schmerz, Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Angst ignoriert wurden – und doch gegenwärtig, spürbar war.
Was hat „Corona“ damit zu tun?
Als im März die ersten Meldungen über das Virus kamen, wurde ich sprachlos. Anfänglich distanzierte ich mich und es kam mehr und mehr ein Gefühl der Starre. Gefühllosigkeit breitete sich tief in mir aus. Äußerlich aktiv, da viel zu besprechen, viel zu tun war, spürte ich anfänglich diese Dimension in mir kaum. Im Laufe der Wochen und der täglichen neuen Nachrichten und Verordnungen machte sich eine Hilflosigkeit in mir bemerkbar, die zwischen Aktionismus und Lethargie hin und her pendelte.
Gleichzeitig fühlte ich mich geborgen und glücklich in meiner Gemeinschaft.
Als ich dann daran beteiligt war, Verordnungen bei uns umzusetzen und dies auf Widerstand stieß, katapultierte mich das in ein emotionales Universum, das ich mit meinen Verstand nicht erfassen konnte und nun über Wochen zu erfühlen hatte.
Angst und eine grenzenlose Hilflosigkeit und Traurigkeit in mir, unverbunden und einsam ohne jeglichen Halt.
Ich erinnerte das Trauma meiner Großmütter – Schmerz, Angst, Einsamkeit, Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit – nicht fühlen zu dürfen, weil es um´s Überleben geht, darum, dass die Kinder abends satt auf ihren Strohsäcken aneinander gekuschelt schlafen können, dass sie leben und lachen. Keine Tränen zulassen, unerwünscht sein bei den Gastgebern, schikaniert werden, Vorwürfe hören und Heimweh haben nach dorthin, wo nichts mehr ist wie es war, an einem Ort zu sein, der zwar das Leben sichert für die Kinder, doch selbst nicht hier sein zu wollen.
Dies zu fühlen, zuzulassen, auszusprechen, zu teilen mit anderen, um es zu würdigen und anzuerkennen, mich so mit meinen Ahnen zu verbinden, war heilsam und notwendig, um mich davon zu befreien,
…damit ich hier sein kann als Birgit, 56 Jahre, Mutter von 3 Kindern und 3 Enkelkindern, verbunden mit meiner Gemeinschaft seit 8 Jahren
…damit ich eine Stimme habe, um laut oder leise zu sein
…damit ich wirken kann
…damit ich BIN
ein Teil von einem Ganzen.
Birgit Fischer