Flow Valley

JA zu einem Bildungsexperiment junger Zukunftsgestalter

Von MarieLuise Stiefel

Das Experiment

Am 10. März haben wir in einem Sonderdorfplenum einen Schritt getan, dem ein längerer Entscheidungsprozess unserer Gemeinschaft vorausgegangen war. Wir überlassen für drei Jahre ein kleines Stück Land, ein etwas außerhalb unseres Dorfes am Rotbach gelegenes Wiesenstück, dem Verein Next Pioneers e.V., in Persona von Michael Schoett und Simon Hoffmann. Sie wollen dort jeweils in den wärmeren Monaten in naturnaher Umgebung einen selbstorganisierten Bildungscampus realisieren mit der Möglichkeit, dass bis zu 12 junge Menschen dort an ihrem persönlichen Bildungsbrief arbeiten, indem sie größere Jugendkulturprojekte durchführen und die notwendige Infrastruktur auf der Wiese aufbauen bzw. weiterentwickeln.

Der Bildungsbrief ist eine von schulkritischen jungen Menschen entwickelte Alternative zu klassischen Bildungsabschlüssen. Er dokumentiert selbstorganisierte Aktivitäten, bei denen in irgendeiner Form Lernen und Entwicklung geschieht: Wissens-, Erkenntnis-, Bewusstseins-, Erfahrungs-, Fähigkeiten- und Persönlichkeitsentwicklung. Ziel ist, dass ArbeitgeberInnen den Bildungsbrief als Grundlage bei Einstellungsverfahren verwenden. Das Experiment mit den ersten Bildungsbrief-PionierInnen wird filmisch dokumentiert, um die Idee weiter zu verbreiten.

Mehr dazu und zum Hintergrund dieses Bildungsexperimentes und seinen Akteuren könnt ihr unter https://www.next-pioneers.org/bildungsbrief-campus erfahren.

Bildungsbrief Bewerberin

Kein einfacher Schritt für die Gemeinschaft

Simon und Michael haben vor etwa zwei Jahren zu uns gefunden und schon beim ersten Bildungssymposium unserer Schule mitgewirkt. Sie fanden, Tempelhof sei das geeignete Umfeld für ihre eigenen Zukunftsgestaltungs- und Bildungsaktivitäten. Wir wiederum meinen, dass in ihrem komplett selbstorganisierten Lernprojekt unsere eigenen Bildungsaktivitäten (Waldkindergarten, Schule für freie Entfaltung, Zukunftsjahr für junge Erwachsene) eine sehr stimmige Fortsetzung finden.

Und doch war die nun vereinbarte Kooperation kein einfacher Schritt.
Wir leben ja ständig in dem Spannungsfeld von „Willkommen in der Zukunftswerkstatt“ und dem Bedürfnis nach einem Vertrauensraum im Inneren, in dem wir unsere Werte von Transparenz und Verbundenheit leben können. Wir wollen uns nach außen nicht abgrenzen, aber es ist immer wieder ein schmaler Grat, den wir als Herausforderung annehmen. Für uns „Ur-TempelhoferInnen“ ist es ein Novum, einer eigenständigen Gruppe autonomen Gestaltungsspieltraum zu überlassen, der zeitweise viele weitere junge Menschen an den Platz bringt. Neben der Freude an jungen Pionieren, ihrer Kreativität und bedenkenfreien Experimentierlust wurden, abgesehen von persönlichem Missmut, auch schwierige Herausforderungen unseres Gemeinschaftslebens berührt: die Fragilität des Gefühls von Beheimatung in der Gemeinschaft, die Sorge vor Überforderung durch viele weitere Menschen. Der Charme unseres kleinen überschaubaren Dorfes ist ja, dass hier Jeder und Jede kennt. Das Dorfhaus, in dem wir zusammen essen können, ist so etwas wie unser gemeinsames Wohnzimmer. Dieses Gefühl weicht schnell, wenn mit einem Mal viele unbekannte Gesichter auftauchen. Hinzu kommt: Wir haben ja selber jahrelange Erfahrungen mit dem „Potential zu Chaos“ im Alltag einer selbstorganisierten Gemeinschaft. Wirklich lustvoll ist der Gedanke nicht, dass junge Menschen, die nicht in unsere gewachsene Tempelhofkultur integriert sind, dieses Potential womöglich noch vergrößern.

Das JA

Wir haben versucht, mit einer Kooperationsvereinbarung die Grundlage für eine gelingende Ko-Existenz unseres Lebensortes mit dem Bildungscampus-Projekt zu legen. Im gesamten Entscheidungsprozess wurde jede Stimme aus der Gemeinschaft dazu gehört und ohne Wertung ernst genommen. So ist am Ende ein JA der Gemeinschaft zu diesem Experiment gewachsen. Ohne Jemand überreden zu wollen oder sonstwie Druck auszuüben, ist der Weg frei geworden für die Kooperation zweier autonomer „Reallabore“ auf unserem Gelände, dem jungen FLOW VALLEY und der schon älteren Zukunftswerkstatt Tempelhof. Im Rahmen eines Bewohnerplenums im März wurden in einer offiziellen Zeremonie die Unterschriften unter die Vereinbarungen gesetzt und so das „Ja“ von beiden Seiten bekräftigt.

Von rechts nach links Simon Hoffmann und Michael Schoett (beide Next Pioneers e.V.) sowie Michael Selig und Birgit Schaldecker (beide Schloss Tempelhof e.V.)

Aktuelles

  • Zukunftsjahr startet am 23.September

    Das Zukunftsjahr ist eine gute Alternative zu Freiwilligendiensten, Praktikum, Reisen und Au Pair. Gemeinsam mit bis zu 14 anderen jungen Menschen wirst du in deiner individuellen Lebens- und Berufsorientierung unterstützt und erlangst Wissen in vielen verschiedenen Themen. Hier ist ein kleiner Einblick: Zuja – der Film (Link vimeo).

  • Tempelhof News Frühling 2024

    Was gibt es Neues am Schloss Tempelhof? Im aktuellen Newsletter gibt es wieder eine bunte Mischung an Themen! Viel Freude beim Lesen!

  • 8. Symposium zur Ressourcen aufbauenden Landwirtschaft

    Mit 12 hochkarätigen Vortragenden aus Ackerbau, Gemüsebau, Agroforstwirtschaft, Waldwirtschaft, Wasserretention, Aufbau von Humus-Netzwerken und v.a. Themen, war die Veranstaltung mit fast 100 Teilnehmenden, den spannenden Vorträgen und Austauschmöglichkeiten wieder ein voller Erfolg.

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