Es war seine Mutter, die ihn auf den Tempelhof aufmerksam machte. Eigentlich hatte Tim keine Lust sie zu begleiten, aber irgendwie gab`s gerade keine bessere Alternative… Aus „Jetzt kommste mal mit…“ entwuchs nach anfänglicher Langeweile am Platz Neugier auf die Menschen und ihre Lebensweise. Tim landete für eine Woche in der Küche. Und plötzlich war die Frage auf dem Tisch: „Willst Du nicht bei uns dein FÖJ machen?“ Eigentlich wollte Tim nach dem Abitur studieren. Was? Das war noch nicht klar. Auswahlmöglichkeiten gab es viele. Trotzdem passte das Angebot irgendwie gut in seine Lebensphase. Inzwischen lebt er seit acht Monaten am Tempelhof.
Ein Freiwilliges Ökologisches Jahr ist für Menschen gedacht, die jünger als 27 Jahre sind, und sich für die Bereiche umweltpolitische Bildung, Nachhaltigkeit und Ökologie interessieren. Es findet über einen Zeitraum von 6, 12 oder 18 Monaten statt. Zu der praktischen Arbeit an der Einsatzstelle gehören vier Seminareinheiten.
Eine FÖJ Stelle zu bekommen ist gar nicht so einfach, denn die Plätze sind heiß begehrt. Auf 210 Stellen in Baden Württemberg gibt es im Durchschnitt 1400 Bewerber. „Ich verstehe nicht, warum die Länder die Chance nicht nutzen, in dem sie mehr Bewerbern Stellen finanzieren.“ Tim, Ex-Schulsprecher, wurde von seinen FÖJ-Kollegen zum Landessprecher gewählt, engagiert sich über seine Stelle hinaus. Er ist einer von drei Sprechern in Baden-Württemberg. “ Für die Bundesländer ist es ein einfacher Weg jungen Menschen die Möglichkeit zu geben ein ökologisches Bewusstsein zu entwickeln und so nachhaltige Umweltbildung zu betreiben.“
Am Tempelhof arbeitet Tim zurzeit hauptsächlich in der Solidarischen Landwirtschaft: 100 Zicklein müssen versorgt werden, Käse hergestellt, verpackt und ausgeliefert werden. Vorher hatte er beim Bau des neuen Gewächshauses für die Gemeinschaft mitgearbeitet. Und ab und zu hilft er in der Küche mit. „Ich sehe hier den gesamten Prozess der Nahrungsmittelproduktion, wie Pflanzen gezogen und deren Früchte geerntet werden. Ich bin dabei, wie sie zubereitet und zu leckeren Gerichten für die Dorfbewohner verarbeitet werden“, berichtet er. „Alles findet vor Ort statt. Hier wird auf einem kleinen Raum viel Autarkie und Unabhängigkeit geschaffen.“
Über seine Arbeit am Tempelhof geriet er ins Nachdenken. „Ich stelle mir plötzlich Fragen, über die ich mir vorher keine Gedanken gemacht habe: Was machen wir als Gesellschaft eigentlich mit unserer Erde? Wo kommen unsere Lebensmittel her und welche Wege haben sie zurückgelegt? Wie real ist eigentlich der Preis unserer Lebensmittel?“ In der Verknüpfung von gemeinschaftlichem Leben und ökologischer Landwirtschaft erkennt Tim eine Lebensform, die er für zukunftsfähig hält. „Für mich wird hier eine Strukturform für gemeinschaftliches Leben gelebt, wie ich sie mir in einer zukünftigen Gesellschaft vorstellen kann.“
Am Tempelhof zählt Tim zu den wenigen Jugendlichen am Platz. Wie ist es in einer Gemeinschaft mit deutlich älteren Menschen zu leben? Tim wohnt zusammen mit der Landwirtschafts-WG, die in der Solidarischen Landwirtschaft vom Tempelhof arbeiten – der älteste ist 32 Jahre alt. „Dadurch, dass ich mit den Jüngeren hier am Ort zusammenlebe, fällt es mir gar nicht so stark auf, dass viele älter sind. Außerdem habe ich schon immer gerne von Älteren gelernt, das Zusammenleben klappt prima.“
„Kann ich kochen, kann ich überall arbeiten!“
Sein FÖJ ist nun fast zu Ende, doch Tim mag sich noch nicht vom Tempelhof trennen: Im Herbst beginnt er eine Lehre als Koch in der Gemeinschaft. „Ich dachte, ich müsste mich um alles kümmern, Bewerbungen schreiben… – aber dann ergab sich plötzlich alles von selbst.“ Nein, in einem normalen Gastronomiebetrieb hätte er nicht unterschrieben, dort wäre es ihm zu hierarchisch. „Hier bin ich frei. Wenn ich etwas sage, bekomme ich Gehör, man muss dazu am Tempelhof nicht Chef sein. Es macht einfach Spaß hier in der Küche zu schaffen.“ Schon der tägliche Beginn gefällt ihm: Die Arbeit beginnt mit einer Stille. Er sieht seinen Lehrberuf krisenfest: „Gegessen wird immer – da können die Banken kollabieren.“
Tim will nicht nur das Kochen lernen, auch persönlich möchte er sich weiterentwickeln: „Ich lerne hier viel über mich. Es ist ein Phänomen, dass ich nicht genau erklären kann, ich bin hier viel offener geworden und kann über meine Bedürfnisse und Gefühle ehrlicher reden. Und ich habe nicht mehr den Anspruch allen zu gefallen – was hätte ich auch davon?“
Sein Resümee: „Hier ist ein Platz, an dem ich mich mit meinem Herzen hinsetzen kann! Hier bin ich zufrieden.“
Zur Info: Auch 2016/17 wird es einen FÖJ-Platz am Tempelhof geben. Bei Interesse bitte melden unter info@schloss-tempelhof.de. Wir freuen uns über den Austausch.